Mittwoch, 3. September 2014

Ein Freund namens Henry

Zuerst einmal muss ich sagen, dass ich dieses Buch schon lange lesen wollte, weil ich an die „Wunderwirkung“ von Tieren glaube. Tiere ermöglichen uns so viel, sie geben uns Kraft, lassen uns wissen, dass wir nicht allein sind, ermutigen uns, beruhigen uns.

Als ich letztens mit Luri Gassi ging lagen im Flur auf der Heizung mehrere Bücher auf unserer „Tauschstelle“- Wer etwas nicht mehr braucht legt es einfach da ab und wer es möchte nimmt es mit. Ich habe keine Sekunde gezögert und das Buch direkt mitgenommen.

Nuala Gardner schreibt in diesem autobiografischen Buch über ihren Sohn Dale der Autist ist. Obwohl ihr bereits mit Geburt bewusst wird, das mit Dale etwas nicht stimmt, wird erst im Laufe seines Lebens bekannt, dass er krank ist. Zu der Zeit war Autismus noch weitestgehend unbekannt und es gab nur eine Handvoll guter Ärzte. Man erlebt die Entwicklung von Dale und den unermüdlichen Kampf der Eltern gegen Ärzte, Psychologen, Sprachheilerziehern, sowie Professoren, dass Autismus endlich anerkannt und diagnostiziert wird. Denn nur mit einer klaren Diagnose stehen den Betroffenen fachliche Hilfen, wie Sprachtherapiekurse, Plätze in besonderen Einrichtungen, Förderunterricht und Therapeuten zu.
Nuala Gardner beschreibt ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen den harten Alltag mit ihrem behinderten Kind und wie schwer es ist ihm das erste Wort beizubringen oder gar seine Aufmerksamkeit zu gewinnen. Autisten entwickeln schnell Obsessionen und so bestimmte Thomas die Lok und Micky Maus das Leben der Gardners. Essen, Baden, Sprechen, Augenkontakt…alles wird für Dale eine unausgesprochene große Herausforderung. Alles dauerte unendlich lange. Sie erlangten kaum Zugang zu ihrem Sohn, der mehr und mehr in seiner Welt lebte, bis sie eines Tages mit Dale bei Bekannten waren, die zwei Hunde hatten und sahen, wie gut Dale mit den Hunden kommunizierte. Und obwohl die Gardners nie einen Hund wollten, zog ein kleiner Golden Retriever Welpe demnächst bei ihnen ein – Henry.

Henry ermöglichte Dale eine Brücke zwischen „seiner Welt“ und der hiesigen Welt. Über Henry konnten sie mit Dale kommunizieren. So machte Henry Dale verständlich, wie wichtig Essen und Baden ist, dass man einen geregelten Tagesablauf braucht und Kommunikation ganz wichtig ist.
In dem Buch wird auch unverblümt deutlich gemacht an welche emotionalen, psychischen und körperlichen Grenzen ein behindertes Kind die Eltern bringt, vor allem, wenn man die notwendige Unterstützung und Hilfe nicht bekommt. Wie viel Freunde und Verwandte ausmachen und eben ein Hund wie Henry.
Auch über den unendlich großen Wunsch nach einem zweiten Kind und die unzähligen Versuche auf natürlichen und am Ende der jahrelange Kampf auf künstlichen Wege ein Kind zu bekommen beschreibt Nuala Gardner ausführlich und sehr herzergreifend. 
Das Glück scheint perfekt, als ihre Tochter Amy geboren wird und sich prächtig entwickelt. Sie spricht und läuft und alles scheint normal zu sein. Doch das Schicksal meint es mit den Gardners nicht gut und auch bei Amy wird schnell deutlich, dass sie autistische Züge aufweist. Amy ist nicht annähernd so schlimm betroffen wie Dale, aber dennoch geht der Kampf erneut los.
Aber auch hier sind Tiere wieder die Brücke zwischen den Welten, nur das Amy auf Pferde steht.
Durch den unermüdlichen Kampf stets das Beste für Dale und Amy zu erreichen und jegliche Hilfe zu ermöglichen die es gibt, entwickelten sich beide zu unglaublichen Persönlichkeiten. Dale bestand alle Abschlussprüfungen und machte eine Ausbildung zum Erzieher. Er selbst steht Betroffenen bei und engagiert sich in vielen sozialen Bereichen.
Mit der Entwicklung Dales erfährt man welchen Beitrag Henry leistete und wie geduldig, einfühlsam und liebevoll er mit Dale umging. Er war stets für Dale da und am Ende ist es Dale der für Henry da ist, der nach langer schwerer Athritiserkrankung in Armen von Dale erlöst wird.

Das Buch hat mich unendlich im Herzen berührt und der Abschied von Henry ging mir unglaublich unter die Haut und ließ mich selbst Tränen vergießen.
Luri ist für mich ein ebenso unersetzlicher Teil in meinem Leben, der mich in den vergangenen drei Jahren, die oft von vielen Schicksalsschlägen und schwerer Krankheit geprägt waren, stets an das „Alles wird wieder Gut“ glauben ließ. Er ist für mich der Halt, mein Seelsorger, mein Taschentuch, meine Wärmflasche, aber auch mein Antrieb jeden Morgen aufzustehen und mich nicht selbst aufzugeben.
Luri ist mein ganz persönlicher Henry :)

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